Mittwoch, 3. April 2013

Berlin 2013 Tag 1.1: Die Reise beginnt



Die Reise beginnt. Die Koffer sind tatsächlich vor dem Start gepackt, die Zimmer überprüft, denn auch wenn sowohl eine beheizte Wohnung, als auch gut gelüftete Räume verführerisch klingen, so sollte der geneigte Reisende während eines längeren Fortbleibens davon absehen, um einerseits  exorbitante Heizkosten und andererseits ungewollte Besucher abzuwenden. Als guter Freund trägt man natürlich beide Koffer runter. Nicht etwa weil man die Dame liebt, sondern vielmehr, weil es einem einen guten Verhandlungsgrund, sowie viele Sympathiepunkte bei anderen Passanten einbringt. Natürlich ist die Aktion unter dieser Prämisse karmatechnisch für den Arsch, aber man kann nun mal nicht alles haben.
Wir stehen im ersten Zug. Eine dieser schicken S-Bahnen. Nicht so gut, wenn man damit Stunden lang reisen will, aber absolut adäquat für den Trip zum Hauptbahnhof. Der Zeitplan ist überragend. Naja beinahe. Man unterschätzt halt doch, wie sehr es in so einem Bahnhof ziehen kann. Besonders bei diesen Temperaturen. Da ist man dann doch froh, wenn man nicht die volle Viertelstunde bis zur Abfahrt draußen warten muss, sondern lediglich zehn Minuten. Zehn Minuten Hoth, zehn Minuten Nordpol, zehn Minuten „The Day After Tommorow“; ihr versteht …
Nun im Zug. Irre, das Ding ist praktisch leer. Also ab in den begehrten Vierer und sitzen. Einen Koffer haben wir vorübergehend auf einer Kofferablage am Ende des Wagens abgelegt, aber dieses Konzept erscheint auf Dauer wenig Vertrauen erregend, weshalb wir das Schätzchen lieber wieder in unsere Mitte holen. So haben wir uns hier also nun gemütlich zwischen unserem Gepäck eingerichtet und können die Menschen, die nicht so viel Glück mit der Platzwahl haben beobachten und im Stillen bemitleiden. Was sollen wir auch für sie tun? Wir würden ja einen Platz anbieten, aber da ist mir doch das eigene Hemd näher und man stellt fest, wie materialistisch man doch ist. Verdammter Kapitalismus … hmmm … ok bald mal wieder einem Obdachlosen 50 Cent in die Hände gedrückt, dann kann ich wieder gut schlafen. Schöne Welt.
In den fortwährenden Beobachtungen ist es immer wieder erstaunlich, wie die Menschen durch diese nun wirklich nicht besonders breit ausgebauten Gänge laufen. Energisch und zielgerichtet laufen sie aufeinander zu mit festem Blick, wartend, wer denn nun als erstes ausweicht. Schon blöd, wenn die Antwort ‚Keiner‘ lautet. Die Ausweichtechniken des modernen und gebildeten Menschen sind ähnlich ausgefuchst, wie der Versuch eines Kleinkindes den Würfel nun doch irgendwie durch den Kreis zu drücken. Wichtig ist hierbei, dass man das Gepäck stets neben sich hat, da es A) unfassbar schwer ist, selbiges vor oder hinter sich zu halten und B) die guten Stücke in gerade erwähnter Position auch nicht vor Diebstahl oder Naturkatastrophe geschützt sind. Da die Teilnehmer dieses sozialen Rituals auch schon zuvor nicht davon abzubringen waren sich zu bewegen, wird dieser Usus auch nun nicht abgelegt und man versucht quasi parallel aneinander vorbei zu kommen. Der engagierte Leser stellt nun fest ‚Verdammte Axt, der gegebene Platz wird doch optimal genutzt. Warum sollte dies nicht funktionieren? ‘ Mir ist es selbst ein Rätsel, aber das Keuchen und Stöhnen lässt vermuten, dass der Komfort hier dann doch eher kleingeschrieben wird. Die genervten, bösen Blicke lassen klar erkennen, dass der Andere Schuld hat. Gewonnen hat natürlich der, der zuerst böse guckt. Wieder eine Parallele zum Kleinkindertum; ich fürchte ein Freudexkurs wird fällig.
Schon so viel passiert und wir sitzen immer noch im RE nach Minden, wo wir dann erst in den IC umsteigen nach Berlin. Deshalb beschließe ich auch dies gerade niederzuschreiben. Deshalb und weil ich Zugfahren unterm Strich dann doch eher öde finde. Ich versuche mir einen emotionalen Keks von der Freundin zu holen, indem ich ihr den begonnen Reisebericht zeige … fehlgeschlagen … die Lärche ist müde …

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