Die Reise beginnt. Die Koffer
sind tatsächlich vor dem Start gepackt, die Zimmer überprüft, denn auch wenn
sowohl eine beheizte Wohnung, als auch gut gelüftete Räume verführerisch
klingen, so sollte der geneigte Reisende während eines längeren Fortbleibens
davon absehen, um einerseits exorbitante
Heizkosten und andererseits ungewollte Besucher abzuwenden. Als guter Freund
trägt man natürlich beide Koffer runter. Nicht etwa weil man die Dame liebt,
sondern vielmehr, weil es einem einen guten Verhandlungsgrund, sowie viele
Sympathiepunkte bei anderen Passanten einbringt. Natürlich ist die Aktion unter
dieser Prämisse karmatechnisch für den Arsch, aber man kann nun mal nicht alles
haben.
Wir stehen im ersten Zug. Eine
dieser schicken S-Bahnen. Nicht so gut, wenn man damit Stunden lang reisen
will, aber absolut adäquat für den Trip zum Hauptbahnhof. Der Zeitplan ist
überragend. Naja beinahe. Man unterschätzt halt doch, wie sehr es in so einem
Bahnhof ziehen kann. Besonders bei diesen Temperaturen. Da ist man dann doch
froh, wenn man nicht die volle Viertelstunde bis zur Abfahrt draußen warten
muss, sondern lediglich zehn Minuten. Zehn Minuten Hoth, zehn Minuten Nordpol,
zehn Minuten „The Day After Tommorow“; ihr versteht …
Nun im Zug. Irre, das Ding ist
praktisch leer. Also ab in den begehrten Vierer und sitzen. Einen Koffer haben
wir vorübergehend auf einer Kofferablage am Ende des Wagens abgelegt, aber
dieses Konzept erscheint auf Dauer wenig Vertrauen erregend, weshalb wir das
Schätzchen lieber wieder in unsere Mitte holen. So haben wir uns hier also nun
gemütlich zwischen unserem Gepäck eingerichtet und können die Menschen, die
nicht so viel Glück mit der Platzwahl haben beobachten und im Stillen
bemitleiden. Was sollen wir auch für sie tun? Wir würden ja einen Platz
anbieten, aber da ist mir doch das eigene Hemd näher und man stellt fest, wie
materialistisch man doch ist. Verdammter Kapitalismus … hmmm … ok bald mal
wieder einem Obdachlosen 50 Cent in die Hände gedrückt, dann kann ich wieder
gut schlafen. Schöne Welt.
In den fortwährenden
Beobachtungen ist es immer wieder erstaunlich, wie die Menschen durch diese nun
wirklich nicht besonders breit ausgebauten Gänge laufen. Energisch und
zielgerichtet laufen sie aufeinander zu mit festem Blick, wartend, wer denn nun
als erstes ausweicht. Schon blöd, wenn die Antwort ‚Keiner‘ lautet. Die
Ausweichtechniken des modernen und gebildeten Menschen sind ähnlich
ausgefuchst, wie der Versuch eines Kleinkindes den Würfel nun doch irgendwie
durch den Kreis zu drücken. Wichtig ist hierbei, dass man das Gepäck stets
neben sich hat, da es A) unfassbar schwer ist, selbiges vor oder hinter sich zu
halten und B) die guten Stücke in gerade erwähnter Position auch nicht vor
Diebstahl oder Naturkatastrophe geschützt sind. Da die Teilnehmer dieses
sozialen Rituals auch schon zuvor nicht davon abzubringen waren sich zu
bewegen, wird dieser Usus auch nun nicht abgelegt und man versucht quasi
parallel aneinander vorbei zu kommen. Der engagierte Leser stellt nun fest
‚Verdammte Axt, der gegebene Platz wird doch optimal genutzt. Warum sollte dies
nicht funktionieren? ‘ Mir ist es selbst ein Rätsel, aber das Keuchen und
Stöhnen lässt vermuten, dass der Komfort hier dann doch eher kleingeschrieben
wird. Die genervten, bösen Blicke lassen klar erkennen, dass der Andere Schuld
hat. Gewonnen hat natürlich der, der zuerst böse guckt. Wieder eine Parallele
zum Kleinkindertum; ich fürchte ein Freudexkurs wird fällig.
Schon so viel passiert und wir
sitzen immer noch im RE nach Minden, wo wir dann erst in den IC umsteigen nach
Berlin. Deshalb beschließe ich auch dies gerade niederzuschreiben. Deshalb und
weil ich Zugfahren unterm Strich dann doch eher öde finde. Ich versuche mir
einen emotionalen Keks von der Freundin zu holen, indem ich ihr den begonnen Reisebericht
zeige … fehlgeschlagen … die Lärche ist müde …
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